Pessach und der David-Stern - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Juedisches Leben



AVIVA-BERLIN.de 3/3/5785 - Beitrag vom 30.05.2006


Pessach und der David-Stern
Elisa Klapheck

Wie der David-Stern zu einem konkurrierenden jüdischen Symbol der Menora, dem siebenarmigen Leuchter, werden konnte. Ein Beitrag von Rabbinerin Elisa Klapheck




Sie kennen alle die blau-weiße Fahne des Staates Israel mit dem David-Stern. Es mag erstaunen: Die frühen Zionisten im 19. Jahrhundert haben dieses Symbol erkämpfen müssen. Denn der David-Stern, der Magen David, ist als jüdisches Symbol verhältnismäßig neu. Sein Einzug begann erst im 16. Jahrhundert. Das eigentliche jüdische Symbol war und ist seit Jahrtausenden der siebenarmige Leuchter - die Menora -, die im Tempel in Jerusalem gestanden hat.

Dass der David-Stern überhaupt zu einem konkurrierenden jüdischen Symbol werden konnte, hat mit Pessach zu tun, dem Fest der Freiheit. Es beginnt mit dem Seder-Abend, der Lesung der Hagada und dem Essen verschiedener ritueller Speisen. Sie erinnern an die einstige Knechtschaft in Ägypten. Alle Juden sind gehalten, selber noch einmal den ganzen Weg aus der Sklaverei in die Freiheit zu gehen. Auf dem Tisch steht eine Seder-Schüssel, meist ein großer Teller. Im 16. Jahrhundert hat der Kabbalist, Isaak Luria, erstmals die Speisen auf dem Teller nach der Form eines David-Sterns angeordnet.

Luria lebte in Zefat, einer Stadt im Norden des heutigen Israels, die damals das Zentrum der Kabbalisten war. Er begründete eine eigene mystische Richtung, die gerade heute unter jüdische Mystikern wieder sehr populär ist: die lurianische Kabbala.

Lurias Seder-Schüssel mit dem David-Stern symbolisierte einen neuen Aufbruch in das gelobte Land - mit der Hoffnung, dort endlich das messianische Reich zu gründen.
Wie alle Mystiker seiner Zeit, entwickelte Luria seine kabbalistischen Lehren anhand der Sefirot - der zehn Emanationen, oder Schöpferkräfte mit denen Gott die Welt erschaffen hat und die in jedem Geschöpf fortwirken. Die drei oberen Sefirot sind für den menschlichen Verstand nicht zugänglich, zu nahe befinden sie sich noch am göttlichen Ursprung. Doch die sieben unteren Sefirot kann der Mensch durch spirituelle Praxis und intellektuellem Bemühen ermessen lernen.

Isaak Luria zeichnete sechs dieser Sefirot plastisch als zwei Dreiecke, die sich im David-Stern ineinander verschränken. Die siebte Sefira ist das Hexagramm in der Mitte des Sterns - die unterste Sefira, die auch die Schechina, die göttliche Präsenz unter den Menschen ist. Luria erkennt in den sechs Zacken des Sterns zugleich auch die sechs Schöpfungstage und in der mittleren Fläche deren Vollendung - den Schabat.

Mit diesem Symbol soll - so Lurias Vorstellung - bereits König David die Kriege der Israeliten gewonnen haben. Nicht als physische Eroberungskriege - sondern als geistige Feldzüge. Und weiter können Juden - so Luria - indem sie diese Schöpferkräfte bewusst aufeinander beziehen, daran mitwirken, das messianische Reich ein wenig schneller herbeizuführen.

Wenn wir also an Pessach die rituellen Speisen nach dieser Form anordnen, dann gedenken wir damit nicht nur eines Aufbruchs in langer Vorzeit - sondern zugleich an das fortgesetzte Fortwirken jener Kräfte, die auch heute immer wieder den Weg in die Freiheit und Erlösung aufzeigen.

Mehr zu Rabbinerin Elisa Klapheck im Interview mit AVIVA-Berlin von 2004.

Lesen Sie auch mehr über Elisa Klaphecks Buch So bin ich Rabbinerin geworden.

Ein Hinweis in eigener Sache - die Rubrik "Religion" wurde ermöglicht durch Mittel der Stiftung Zurückgeben zur Förderung Jüdischer Frauen in Kunst und Wissenschaft.


Jüdisches Leben

Beitrag vom 30.05.2006

AVIVA-Redaktion